"Der Schmerz ist der große Lehrer der Menschen. Unter seinem Hauche entfalten sich die Seelen."
Marie von Ebner-Eschenbach
Fast jeder Mensch erlebt einmal in seinem Leben ein Trauma, eine PTSD entwickelt sich daraus aber sehr selten
Der Begriff „Trauma“ wird in der Alltagssprache leider allzu oft mit der klinischen Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) gleichgesetzt. Damit wird einerseits das Erleben von belastenden oder erschreckenden Erlebnissen im Alltag in ihrer negativen Bedeutung überbewertet, andererseits die Symptome einer Traumafolgestörung im klinischen Sinne der PTBS quasi als „normal“ oder „alltäglich“ verharmlost. Auch wenn fast jeder Mensch (ca. 90%) in seinem Leben mindestens einmal einer schweren traumatischen Situation ausgesetzt ist, führt diese nur bei wenigen zum Vollbild einer PTBS (ca. 1,5 bis 2%). Es ist daher bedeutsam, beide Begriffe im Sprachgebrauch sorgfältig voneinander abzugrenzen.
Eine Posttraumatische Belastungsstörung ist eine über Wochen anhaltende Folgereaktion auf ein oder mehrere traumatische Ereignisse wie schwere Unfälle, körperliche oder seelische Gewalt, Missbrauch, Krieg oder Naturkatastrophen die an der eigenen Person oder an fremden Personen erlebt worden sind.
Häufiges Erinnern des Traumas, Übererregung und Vermeidung sind Kernsymptome einer PTBS
Symptome einer PTBS sind:
wiederkehrende, sich aufdrängende, belastende Gedanken, Erinnerungen, Bilder, Albträume an das Trauma (Intrusionen, Flashbacks)
Übererregung und erhöhte Schreckhaftigkeit (u.a. Schlafstörungen, Reizbarkeit, Konzentrationsstörungen) oder auch emotionale Taubheit
Vermeidung von Situationen, die an das Trauma erinnern
Negative Veränderungen von Kognition (z.B. starke Schuldgefühle oder Scham) und der Stimmung
Die Symptome können unmittelbar nach dem Ereignis oder auch mit (mehrjähriger) Verzögerung auftreten.
Traumafokussierte kognitive Verhaltenstherapie (TF-KVT) mit höchster Evidenz
Hinsichtlich der Behandlung der PTBS bei Kindern und Jugendlichen gilt die traumafokussierte Verhaltenstherapie (TF-KVT) und mit Einschränkungen in der empirischen Evidenz das Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) und die Narrative Expositionstherapie (NET) als Therapieverfahren der Wahl (s. AWMF S3-Leitlinie PTBS 2019). Kernelement dieser Verfahren ist die altersadaptiere Konfrontation mit dem Ereignis einhergehend mit einer kognitiven Neubewertung des Erlebten (Gedächtnis-Rekonsolidierung). Die TF-KVT (Cohen et al.) ist schon im Kleinkindalter einsetzbar und eignet sich sowohl für die Behandlung einzelne Traumata (Unfälle, Naturkatastrophen, Vergewaltigung) als auch für langanhaltende Traumaerfahrungen (Vernachlässigung, wiederholte seelische oder körperliche Gewalt, sexuelle Gewalt/Missbrauch, Kriegs- und Fluchterfahrungen). Ihre Eignung wurde für unterschiedliche Settings (Ambulanzen, Kliniken, Jugendstrafvollzug) als auch in unterschiedlichen Kulturkreisen (Europa, Asien, Afrika, Nord- und Südamerika) belegt. Bis zum Jugendalter legt die TF-KVT sehr großen Wert auf die parallele Arbeit mit den Eltern/Bezugspersonen welche im Verlauf zu gemeinsamen Stunden mit dem Kind zusammengeführt werden.
Die Prolongierte Exposition (E. Foa), die Cognitive Processing Therapy (P. Resick) und die Entwicklungsangepasste Kognitive Verhaltenstherapie (E-KVT; Matulis et al.) zählen ebenfalls zu den traumafokussierten Ansätzen und können ab dem frühen Jugendalter alternativ eingesetzt werden.
Dissoziative Störungen zeigen sich über vielfältige Phänomene wie das Gefühl "neben sich zu stehen", "umnebelt sein" oder plötzlich keine Erinnerung mehr an ein Geschehen haben. Es sind im weitesten Sinne stressbedingte Phänomene, die die meisten schon einmal erlebt haben (z.B. beim Tagträumen oder kurz vor dem Einschlafen).
Normalerweise werden Gedanken, Gefühle und Wahrnehmungen des Körpers in einer Situation als Einheit und als stimmig erlebt. Bei dissoziativen Störungen fehlt die Integration des Erlebten mit dem Handeln und/oder der Erinnerung. Unter anderem zählen hierzu das Gefühl des Loslösens vom Selbst und/oder der Umgebung (Depersonalisations-/Derealisationsstörung), Erinnerungslücken an bestimmte Lebensereignisse oder -phasen (dissoziative Amnesie), Bewegungsstörungen oder Lähmungen (dissoziativer Stupor) und dissoziative (nicht epileptische) Krampfanfälle. Allen dissoziativen Phänomenen fehlen klare körperlich-neurologische Ursachen wie Tumore, Schlaganfälle, Epilepsieformen oder Demenz. Am häufigsten treten sie als Folge von schwerer oder lang anhaltender Traumatisierung auf.
Dissziative Störungen sind keineswegs eingebildet oder simuliert, sondern mit erheblichen Einschränkungen, psychischer Berlastung und Hilflosigkeit verbunden. Sie treten fast immer mit weiteren psychischen Störungen auf und sollten aufgrund ihrer Komplexität und Vielschichtigkeit nur von erfahrenen und psychotraumatologisch kompetenten Psychotherapeuten behandelt werden.