"Es gibt Wichtigeres im Leben, als beständig dessen Geschwindigkeit zu erhöhen."
Schizophrenie - ein komplexes Störungsbild mit Wahnvorstellungen, Halluzinationen und Denkstörungen
Die
Symptomatik von Störungen aus dem Spektrum der Psychosen ist sehr
vielfältig und komplex. Die häufigste Form ist die Schizophrenie.
Betroffene nehmen in der akuten Phase die Realität verändert und häufig als bedrohlich wahr. Sie haben z.B. Verfolgungsängste, hören
Stimmen, sehen Schatten oder Personen ohne das diese Phänomene
tatsächlich vorhanden sind. Infolge von Denkstörungen fehlt in den
Äußerungen der Betroffenen ein roter Faden, Themen wechseln sehr schnell
oder es fehlt jeglicher Zusammenhang (Positivsymptomatik). Zusätzlich
besteht ein Gefühl des getrieben-sein und verfolgt-werden oder ein völliger Verlust des
Antriebs und der kommunikativen Fähigkeiten (Negativsymptomatik). Für Außenstehende sind die Symptome extrem schwer nachvollziehbar und häufig beängstigend.
Kombinationen von psychotischen Symptomen mit depressiv-ängstlichen oder manischen Episoden werden als schizo-affektive Störungen bezeichnet und treten häufig schubweise auf. Im Gegensatz zur Schizophrenie sind die psychotischen Themen weniger bizarr oder unrealistisch, sondern argumentativ besser nachvollziehbar oder sogar biographisch plausibel. Viele Patienten stehen daher unter einer sehr hohen emotionalen Belastung teilweise mit dem Gedanken, therapeutische Hilfe "nicht verdient" zu haben.
Lange Zeit galt die Schizophrenie als ausschließlich biologisch bedingt und durch die Kommunikationsstörungen einer Psychotherapie kaum zugänglich. Im Fokus stand die stationäre Aufnahme in eine Psychiatrie sowie ab den 1950er Jahren die medikamentöse Behandlung mit Antipsychotika. Dieses Vorgehen ist für die Akutphase, insbesondere bei Eigen- und Fremdgefährdung auch weiterhin elementar.
Veranlagung und Stress sind wesentliche Faktoren für die Entstehung psychischer Störungen
Die ausschließlich biologisch-genetische Kausalität psychotischer Phänomene wurde in den letzten Jahrzehnten immer mehr in Frage gestellt. Mittlerweile haben sich bio-psycho-soziale Modelle etabliert, durch die ein deutlich umfassenderes und präziseres Verständnis der Bedingungen psychischer Störungen möglich wurde. Neben der genetischen Disposition für psychotische Störungen spielen (chronische) soziale und biographische Stressoren sowie kognitiven Störungen der Informationsverarbeitung eine nicht minder bedeutsame Rolle.
Die wechselseitige Beeinflussung von Anlage- und Umweltfaktoren für Entstehung und Aufrechterhaltung psychischer Störungen wurden in zahlreichen Studien seit der 1970er Jahre eindrucksvoll belegt und unter der Bezeichnung "Diathese-Stress-Modell" (auch Vulnerabilitäts-Stress-Modell) zu einem der wichtigsten Ansätze für die Erklärung schizophrener und affektiv-depressiver Störungen.
Kognitive Verhaltenstherapie verbessert Verlauf und Prognose von Psychosen
Auf
Stressoren und Kognitionen ausgerichtete
kognitiv-verhaltenstherapeutische Interventionen tragen wesentlich zum
Behandlungserfolg bei und werden u.a. in der AWMF S3-Leitlinie Schizophrenie (2019) mit höchstem Evidenzgrad empfohlen. Studien
konnten zeigen, dass Psychotherapie nicht nur bei bereits Erkrankten
einen positiven Einfluss ausübt, sondern schon in der subakuten Vorphase
(Prodromalphase) sehr wirkungsvoll ist und sogar einen Ausbruch der
Erkrankung verhindern bzw. Verlauf und Schwere positiv beeinflussen
können. Die
Leitlinie empfiehlt, kognitiv-verhaltenstherapeutisch ausgerichtete
Psychotherapie in allen Phasen einer schizophrenen Erkrankung einzusetzen.
Psychotische Störungen haben häufig einen wellenförmigen Verlauf, beginnen allerdings schon lange im Vorraus mit eher unspezifischen Symptomen. Diese Prodromalphase verläuft meist mehrere Jahre und beginnt häufig im späten Kindesalter. Unkenntnis oder fehlende Erfahrung hinsichtlich dieser frühen Symptome führen leider nicht selten zu Fehldiagnosen und langjährigen Therapieversuchen mit kaum nennenswerten Veränderungen.
Die hieraus entstehende Frustration bei Jugendlichen, besonders aber in deren sozialen Umfeld wie Eltern, Lehrkräften, Therapeuten kann zu weitreichenden Fehlinterpretationen über die Ursachen der Probleme (Ätiologie) führen. So werden nicht selten Erziehungsfehler, frühkindliche Traumatisierung, körperliche Gewalt oder sexueller Missbrauch als Ursachen angenommen, die "analysiert" und "aufgearbeitet" werden müssten. Im ungünstigen Fall werden erst nach Jahren und infolge von Zunahme oder Ausbruch der psychotischen Symptomatik eine adäquate und störungsspezifische Behandlung begonnen.
Es ist daher von essentieller Bedeutung, mögliche psychotische Symptome früh zu erkennen, diese fachkundig zu beobachten, regelmäßig therapeutische Interventionen zu hinterfragen und ätiologische Fehlinterpretationen zu vermeiden.